Die Digitalisierung bringt eine ganze Reihe von qualitativen und quantitativen Veränderungen in sämtlichen Lebensbereichen mit sich. Sie hat enorme gesamtgesellschaftliche Auswirkungen und trägt zur Entwicklung eines völlig neuen Verständnisses von Wirtschaft und Gesellschaft bei. Das Kauf- und Konsumverhalten ist einer der Bereiche, die praktisch seit den Anfängen des Internets von dem beginnenden digitalen Wandel tangiert wurden. Parallel zu der raschen Bedeutungszunahme des Internets wuchs gleicher Maßen auch dessen Einfluss auf das Kaufverhalten. Im Rahme einer 2015 durchgeführten Befragung gaben bereits 87 Prozent aller Befragten an, sich zumindest gelegentlich vor dem Offline-Kauf eines Produktes im stationären Handel, bereits online über dieses Produkt informiert zu haben. Eine Studie von 2017 zeigt mit 63 Prozent der Befragten, die mindestens einmal im Monat online einkaufen und außerdem planen, dies 2018 vermehrt zu tun, eine deutliche Tendenz auf. Die Folgen des digitalen Wandels manifestieren sich jedoch nicht nur in dem veränderten Kaufverhalten, sondern wirken sich logischerweise auch auf den daran anknüpfenden Bereich des Marketings aus.
Aktueller digitaler Wandel: Die veränderte Rolle des Internets
Im Wesentlichen gibt es zwei Faktoren, die das durch den digitalen Wandel geprägte Kaufverhalten charakterisieren. Der eine ist die Online-Recherche über ein Produkt, der andere ist der Online-Kauf selbst. In den Anfangszeiten des Internets gab es noch eine weitestgehend klare Trennung zwischen online und offline. Im Verlauf der Entwicklung wurden dem Kunden zunächst vereinzelt, dann zunehmend strukturell organisiert, Informationen zu Produkten und Dienstleistungen zur Verfügung gestellt. Konsumenten konnten sich mehr und mehr über Produkte informieren. Neben einer wachsenden Anzahl großer Geschäfte die eine Online-Präsenz aufbauten sowie der Entstehung erster Möglichkeiten zum Online-Shopping, war ein weiteres erwähnenswertes Phänomen, dass Käufer Produkte oder Dienstleitungen online kostengünstiger erwerben konnten als im lokalen Geschäft.
Inzwischen ist der digitale Wandel jedoch längst so weit fortgeschritten, dass dies nur noch als eine frühere Entwicklungsstufe verstanden werden kann. Diese Betrachtung der Entwicklungsstufen kann jedoch zum Verständnis des Ausmaßes der Veränderungen durch den digitalen Wandel hilfreich sein. Die Trennung von online und offline ist in weiten Teilen der Praxis längst nicht mehr existent, dies zeigt sich nicht nur in der Arbeitswelt, sondern auch im Bereich der Freizeit und ganz besonders in Bezug auf das Thema Kaufverhalten. Online und offline gehen scheinbar nahtlos ineinander über, wenn der Konsument beispielsweise in einem Geschäft vor dem Wunschprodukt steht und online mit dem Smartphone weitere Produkt- und Preisinformationen sucht, oder möglicherweise sogar das Produkt online bei einem anderen Händler kauft, während er das Geschäft verlässt.
Die permanente Online-Begleitung in Form von Smartphone und App, die zudem ganz neue Geschäftsmodelle mit sich bringt, hat die Rolle des Internets grundlegend verändert. Virtuelle und reale Welt existieren längst nicht mehr nebeneinander, sondern werden zu einer neuen, großen und gemeinsamen Realität.
Die Vermischung von Online-Shopping und Offline-Shopping: ROPO und Showrooming
Dass 87 Prozent der Befragten bei einer Studie von 2015 angaben zumindest ab und an online nach dem Produkt zu suchen, das sie dann offline kaufen würden, zeigt die Relevanz und auch die Vermischung von Online-Shopping und Offline-Shopping. Dieses Phänomen hat sogar bereits eine spezifische Bezeichnung: Research Online, Purchase Offline (kurz: ROPO). Dabei spielt das Testen eines Produktes im stationären Handel für 65 Prozent der befragten Verbraucher eine entscheidende Rolle. Die besagte Studie macht deutlich, dass bei einem Kaufprozess häufig Online- und Offline-Kanäle abwechselnd und gemischt genutzt werden.
Ein anderes - quasi umgekehrtes - Phänomen ist das sogenannte Showrooming. Dabei werden Produkte vom Konsumenten im Ladenlokal geprüft und möglicherweise auch Beratungsleistungen der Verkäufer vor Ort in Anspruch genommen, um das Produkt anschließend online einzukaufen. Etwa 10 Prozent der Befragten betreiben regelmäßig bis häufig Showrooming, während gut drei Viertel es zumindest schon einmal praktiziert haben. Für stationäre Händler hat dieses Phänomen mitunter drastische negative Auswirkungen in Form von Einnahmeausfällen.
Ein maßgeblicher Faktor, der zu der beschriebenen Vermischung beiträgt, ist die zunehmend verbreitete Nutzung mobiler Endgeräte, die es dem Konsument ermöglichen gleichzeitig online und offline zu agieren.
Online-Shopping als „besonderes“ Shoppen gehen
Egal ob Online-Shopping oder Offline-Shopping, in einem Punkt hat der Konsument für gewöhnlich ein und den selben Wunsch: Er will die Möglichkeit haben zu stöbern, sich zu informieren und unabhängig von einem tatsächlich bestehenden Kaufinteresse, also aus reiner Neugierde und purem Interesse, nach Angeboten schauen. Bei dieser Art des virtuellen „Bummelns“ stellt für viele Konsumenten insbesondere das Shopping-Erlebnis als solches ein wichtiges, wenn nicht sogar das primäre Ziel dar. Dies ist einer der wohl wichtigsten Punkte, wenn es um die Anpassung des Marketing-Bereichs an die neuen Formen des Kaufverhaltens geht. 2017 gaben bei einer Befragung nur 17 Prozent an, dass ein direktes Kaufinteresse sie zum Besuch einer Webseite motiviert hat. Das Interesse der meisten Befragten war allgemeinerer Natur. Dies verdeutlicht den Aspekt, dass Online-Shopping zunehmend zu einem Kauferlebnis ähnlich dem herkömmlichen „Shoppen gehen“ wird. Dabei spielen teilweise identische Faktoren eine entscheidende Rolle. Es wird zunehmend wichtiger, auch das Online-Shopping-Erlebnis ganzheitlich als ein angenehmes Erlebnis zu erfahren. Dazu zählt nicht nur die Bequemlichkeit, sondern auch eine ganze Reihe von technischen und inhaltlichen Aspekten eines Online-Shops oder einer bestimmten Marke.
Die Customer Journey – also die „Reise“ eines potentiellen Kunden anhand der Berührungspunkte mit einem Produkt oder einer Marke (den sogenannten Touchpoints) – gewinnt dabei zunehmend an Relevanz. Dies begründet sich vor allem dadurch, dass die digitale Verfolgung der Kundenaktivitäten mittels Trackingtechnologien unkompliziert möglich ist und somit ein hohes Optimierungspotenzial bereitstellt. Die Customer Journey kann also nicht nur nachvollzogen, sondern sogar bewusst gestaltet werden. Das ganzheitliche Erfassen der Customer Journey stellt eine in besonderem Maße herausfordernde Anforderung an Werbetreibende dar, was nicht zuletzt durch die erwähnte Vermischung der Online- und Offline-Kanäle bedingt ist.
Online-Marketing als logische Folge
Um diesem veränderten Kaufverhalten ausgehend von der Angebotsseite zu begegnen, war es notwendig auch den Bereich des Marketings auf das Internet zu konzentrieren. Folge war die Entstehung eines neuen und umfangreichen Marketing-Bereichs: des Online-Marketings.
Zunächst einmal war und ist gegenwärtig auch noch eine logische Folge, dass die Verschiebung der Nachfrage in den Online-Bereich ebenso eine Verschiebung auf der Angebotsseite bedeutet. Dazu zählt zum einen schlicht und ergreifend das Herausbilden einer Online-Geschäftswelt in Form von Online-Shops, Versandhandel und schließlich auch Dienstleistungen. Die dazu auftretenden Marketing-Maßnahmen waren zu Beginn eher virtuelle Werbetafeln. Spätestens mit dem Aufkommen und der steigenden Bedeutung von Suchmaschinen haben sich spezifische Online-Marketingkonzepte entwickelt, die in dieser Form im Offline-Bereich nicht existieren und auch nicht umsetzbar wären.
Einen weiteren gravierenden Punkt stellt die Ausweitung der Konkurrenz dar. Mit zunehmender Digitalisierung sehen sich viele Unternehmen dazu gezwungen, mit internationaler Konkurrenz mithalten zu müssen. Das stellt insbesondere Unternehmen, deren Konkurrenz bislang eher innerhalb regionaler Grenzen vertreten war, vor eine große Herausforderung in Sachen Marketing. Für viele lokal agierende Unternehmen bedeutet das eine Vervielfältigung ihrer bisherigen Konkurrenz. Allerdings impliziert dies auf der anderen Seite auch einen größeren potentiellen Absatzmarkt und neue Chancen. Um diese Chancen auszuschöpfen bedarf es künftig ausgeklügelter Marketing-Konzepte.
Neue Herausforderungen für das Marketing
Zu den neuen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Thema Online-Marketing zählt zum einen die zunehmende Personalisierung der Werbung. Aufgrund der von den Konsumenten hinterlassenen Daten gibt es hier große Möglichkeiten, welche erfolgreich genutzt werden können. Damit verbunden ist auch der äußerst relevante Bereich der Suchmaschinenoptimierung. Zum anderen besteht ein neuer Aspekt und damit auch eine neue Herausforderung in dem Phänomen, dass der Kunde zu einem Bestandteil der Wertschöpfungskette geworden ist. Und zwar sowohl durch die Daten, die er durch seine Aktivitäten hinterlässt und die eine sehr direkte Auswirkung auf Produktions- oder Logistikprozesse haben, als auch durch die Inhalte, Empfehlungen und Bewertungen die er produziert. Durch beispielsweise das Verfassen von Testberichten oder Produktbewertungen hat der Kunde zumindest partiell die Beratungstätigkeit selbst übernommen.
Einen anderen Punkt stellt die direkte Reaktion auf eine der oben angeführten Tendenzen dar: Das Online-Shopping-Erlebnis muss als solches verstanden und ganzheitlich geboten werden.
Es gibt verschiedene Ansätze, die eine Anpassung an die veränderten Bedingungen ermöglichen und ein erfolgreiches Online-Marketing möglich machen. Dazu kommen jeweils verschiedene Konzepte und Methoden, die wir künftig im Rahmen einer Informationsreihe vorstellen wollen.