Am Anfang steht die Interaktion. Schon unmittelbar nach der Geburt stehen wir in Interaktion mit unserer Umwelt und können uns dieser auch nicht erwehren, denn wir sind darauf angewiesen. Der Mensch ist ein soziales Wesen und damit in vielfältigen sozialen Geflechten verhaftet. Er ist abhängig von der Beobachtung, Bewertung, Rückmeldung und dem Vergleich von, durch und mit anderen Menschen. Hierüber kann er Selbsterkenntnis erlangen und Selbstwirksamkeit erfahren. Und natürlich gehört zur menschlichen Interaktion auch der uns angeborene Spieltrieb. Noch bevor wir der verbalen Kommunikation mächtig sind, lernen wir das Spielen und die spielerische Entwicklung eines Verständnisses von uns und unserer Umwelt. An diesem natürlichen Spieltrieb setzt Gamification an.
Die Definition
Als Gamification lässt sich die Integration von Spielmechanismen oder spielerischen Methoden in spielfremden Zusammenhängen bezeichnen. Ziel der Gamification ist in der Regel die Förderung eines bestimmten Verhaltens bzw. die Steigerung der Nutzungsmotivation beim Anwender. Der Anwendungsbereich von Gamification ist breit gefächert und reicht von der Einbettung alltäglicher Aufgaben, über das Aneignen von Wissen, bis hin zur Aufnahme von Werbebotschaften in einen spielerischen Kontext. Ein zentrales Element der Gamification stellt oftmals der direkte oder indirekte Wettbewerbsgedanke dar, der durch das Schaffen von Vergleichsmöglichkeiten offengelegt wird und für den User neben weiteren Aspekten einen motivationalen Anreiz bieten soll, sich mit den zur Verfügung gestellten Inhalten auseinanderzusetzen. Am Ende eines „Spiels“ steht für den Anwender in der Regel eine Belohnung - beispielsweise in Form von digitalen oder reellen Gütern, oder aber in Form von Anerkennung, Statusupgrades, Privilegien oder Selbstwirksamkeitserfahrungen - bereit. Neben der Aussicht auf Ruhm und Reichtum für den User bietet die Gamification aber auch noch weitere nützliche Effekte, die den Einsatz dieser Methode insbesondere im Bereich des Marketing rechtfertigen oder - um es auf den Punkt zu bringen - sogar unverzichtbar machen.
Der Mehrwert
Klassische Bonusprogramme, Punktesysteme oder Stempelkarten, wie sie heutzutage nahezu überall im stationären Einzelhandel zu finden sind, stellen die einfachsten und wohl bekanntesten Formen von Gamification in unserem Alltag dar. Der Kunde sammelt Punkte und kann ab einem bestimmten Wert diese in Gutscheine oder Treuegeschenke umwandeln. Was macht dieses Belohnungssystem mit uns und warum sind wir bereit uns immer wieder darauf einzulassen? Die Antwort ist ganz einfach: Weil es uns glücklich macht. Durch das Punktsammeln und -umwandeln wird das Belohnungssystem des menschlichen Gehirns angesprochen und Dopamin im Körper ausgeschüttet. Wir werden aufgrund unserer (Sammel-)erfolge zu glücklichen Menschen und fangen entsprechend an, Marken oder Unternehmen, die uns das vorhandenen Glücksgefühls beschwert haben, positiv zu konnotieren. Darüber hinaus sorgen die beschriebenen Bonusprogramme für eine höhere Kundenloyalität, weil sie uns nicht nur auf emotionaler, sondern auch auf rationaler Ebene ansprechen. So macht der Einkauf nicht nur Spaß, sondern lohnt sich auch noch! Sowohl auf Kunden- als auch auf Marketerebene bietet der Einsatz von Gamificationen einen nicht zu verachtenden Mehrwert, der sich aus folgenden Faktoren zusammensetzt:
+ Inhalte werden vom Nutzer spielerisch aufgenommen und können somit einfacher verarbeitet werden.
+ Die Ausführung monotoner oder anstrengender Pflicht- und Alltagstätigkeiten wird für den User attraktiv und kann als spannendes Erlebnis wahrgenommen werden.
+ Durch die Herstellung eines spielerischen Wettbewerbs hat der User die Möglichkeit, sich mit anderen Nutzern zu vergleichen, seine eigenen Fortschritte zu messen und somit Anerkennung zu erlangen.
+ Mit Hilfe von Community-Features wird es dem Nutzer ermöglicht, sich mit anderen „Spielern“ auszutauschen, Erfahrungen zu teilen, sich gegenseitig zu unterstützen und so das Spiel zu einer lebendigen Erfahrung werden zu lassen.
Für den Werbetreibenden lassen sich durch die Gamification folgende positive Effekte herausstellen:
+ Durch die spielerische Aufbereitung und Präsentation von Inhalten/ Produkten wird die Neugier des Kunden geweckt und er ist eher dazu bereit, sich mit dem vorhandenen Content auseinanderzusetzen.
+ Im spielerischen Kontext ist der Kunde eher gewillt, Daten von sich Preis zu geben und an Verbesserungsprozessen mitzuwirken (bspw. durch das Bereitstellen eines Kundenfeedbacks).
+ Werbebotschaften, die in eine spannenden Erlebniswelt eingebettet sind, bleiben dem Kunden eher im Gedächtnis und können durch die Demonstration von Kreativität und Fantasie zu einer Steigerung des Wiedererkennungswertes und Images eines Unternehmens beitragen.
+ Subtile Werbemaßnahmen, die nicht direkt als solche erkannt werden, bzw. zwar als solche identifiziert aber nicht als aufdringlich erlebt werden, erreichen den Kunden besser und tragen dazu bei, dass dieser nicht genervt reagiert. Hierdurch verändert sich die Bewertung von Werbebotschaften durch den Kunden. Der Störfaktor wird zum Fun-Faktor.
+ Die durch die Implementierung von interaktiven Elementen stattfindende Ergänzung eines einfachen (Web-)Shops um die attraktivitätssteigernde Komponente des Spaßfaktors erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass eine Gamification-Kampagne mehr Aufmerksamkeit erhält, sich schneller im Internet verbreitet und so zu einer vermehrten Neugewinnung von Kunden sowie einer dauerhaften Kundenbindung beiträgt.
+ Produktpräsentationen werden erleichtert, da Produkte oder Dienstleistungen für den Kunden erfahr- und begreifbar werden. Hierdurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde vom jeweiligen Nutzen des Produkts/ der Dienstleistung überzeugt und letztendlich zum Kauf animiert werden kann.
Nachdem nun der offensichtliche Nutzen von Gamification im Marketing und Verkauf deutlich geworden ist, stellt sich die Frage nach den Möglichkeiten einer gelungenen Umsetzung von Gamification-Kampagnen. In welche Arten von Gamification-Gewänder lassen sich Werbebotschaften kleiden und worauf ist dabei zu achten?
Ein paar Beispiele
Kategorie 1 - Bonuspunkte & Belohnungen
Punktesysteme oder Stempelkarten wie wir sie aus dem stationären Einzelhandel kennen, lassen sich in gleicher oder ähnlicher Form auch beim Einkauf im Netz finden. So gibt es nicht nur Belohnungen (Treuegeschenke oder Rabatte) für den loyalen Wiederholungskäufer, sondern auch für den motivierten Kunden, der nach dem Einkauf noch ein Kundenfeedback hinterlässt, oder eine Empfehlung an Freunde und Familienmitglieder ausspricht. Auch die Ansicht von Werbevideos zum Zweck des Erwerbs von meist digitalen Boni (bspw. spezielle Währung wie sie oftmals in Apps eingesetzt wird) zählen zu den klassischen Belohnungssystemen im Rahmen von Gamification.
Kategorie 2 - Rankings & Titel
Ranglisten oder die Vergabe von Titeln dienen als Motivation für den Nutzer, um sich intensiver mit den Inhalten einer Website auseinanderzusetzen und animieren zu einem regelmäßigen Konsum bzw. einer konstanten Nutzung der bereitgestellten Funktionen. Ob es sich nun um die klassische Sternebewertung - wie wir sie von namenhaften Kauf- und Verkaufsplattformen kennen - oder um den Erhalt eines speziellen Titels für besondere Leistungen handelt, der dem Wettbewerbsgedanken innewohnende Vergleich mit anderen Usern macht hier die Gamification aus.
Kategorie 3 - Status & Fortschritt
Anders als beim Erlangen eines Titels oder einer guten Platzierung in Ranglisten ist Gamification in Form von Fortschritts-, Status- oder Levelanzeigen weniger auf den direkten sozialen Vergleich, sondern vor allem auf die Visualisierung individueller Erfolg für den User ausgelegt. Auch mühsame oder unliebsame Aufgaben können dem Nutzer so spielerisch näher gebracht werden und ihn dazu motivieren am sprichwörtlichen Ball zu bleiben. Das wohl simpelste Beispiel für diese Form der Gamification sind Fortschrittsbalken, wie sie sich beispielsweise in Online-Fragebögen oder auf zahlreichen anderen Websites finden lassen.
Kategorie 4 - Tests & Quizspiele
Wer von uns hat sie noch nicht gemacht, die zahlreichen Selbsttests in Zeitschriften oder auf Social-Media-Plattformen? Die Bandbreite an Themen in derartigen Tests ist breit gefächert. Von der Frage nach dem zur Persönlichkeit passenden „Spirit Animal“ bis hin zur Frage nach dem eigenen IQ-Wert ist alles dabei. Auch Rate- und Quizspiele, in denen der User sein Wissen über bestimmte Themenbereiche testen kann, fallen in diese Kategorie von Gamification. Der Nutzen für den Anbieter eines solchen Tests ist dabei deutlich erkennbar: Es können nicht nur Nutzer auf die eigene Website gezogen, sondern auch zahlreiche wertvolle Daten erfasst werden.
Kategorie 5 - Video-Gamification
Video-Gamification ist die wohl aufwendigste aber auch plakativste Form der Gamification. Content wird hier in Form eines interaktiven Videos dargestellt. Der Nutzer wird dazu animiert, in Interaktion mit dem Video zu treten und somit beispielsweise Einfluss auf den Verlauf einer dargestellten Geschichte zu nehmen. Neben dem bewussteren Erleben bietet Video-Gamification dem User vor allem die Möglichkeit, sich Inhalte spielerisch anzueignen. Für den Werbetreibenden kann der Einsatz von Video-Gamification insbesondere deshalb lohnenswert sein, da die eigenen Inhalte eine größere Aufmerksamkeit erfahren. Auch ist es nicht untypisch, dass das Video von einer Person gleich mehrfach geklickt wird, um evtl. unterschiedliche Verläufe der Geschichte zu entdecken.
Durch die zunehmende Ausbreitung der VR- und AR-Technologien im Alltag gewinnt die Videogamification heutzutage noch einmal zusätzlich an Bedeutung, da mit Hilfe dieser Technologien ein noch tieferer Einstieg in die Gamification ermöglicht wird. Content der über nahezu alle Sinne vermitteln wird, intensiviert das Erlebnis für den Nutzer.
Kategorie 6 - Storytelling
Was auf den ersten Blick vielleicht nicht nach Gamification aussieht, nichtsdestotrotz aber in diesen Bereich fällt, ist das sogenannte Storytelling. Websites die eine Geschichte erzählen und somit den bereitgestellten Inhalten eine Sinnhaftigkeit bzw. einen roten Faden verleihen, haben eine fesselnde Wirkung auf den Kunden. Die Neugier, den Verlauf der Geschichte zu verfolgen und sich ein umfassendes Bild zu machen, bindet den Nutzer an eine Website und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass dieser sich die Mühe macht die gesamten Inhalte zu erfassen.
Die Leitgedanken
Wer jetzt vor Ideenreichtum nur so sprudelt und die Inangriffnahme einer Gamification-Kampagne kaum noch abwarten kann, dem möchten wir an dieser Stelle noch ein paar ganz grundlegende Leitgedanken mit auf den Weg geben:
- Egal auf welche Form von Gamification Sie in ihrer Kampagne setzen möchten, grundsätzlich gilt, dass Gamification dem Nutzer Spaß bereiten und niemals zu einer zusätzlichen Last für ihn werden sollte. Gamification zielt darauf ab, die extrinsische Motivation des Users zu einer intrinsischen Motivation werden zu lassen - also auf die Umwandlung des „Ich-muss“-Gedankens in den „Ich-will“-Gedanken.
- Wie bei allen Inhalten einer Website gilt es natürlich auch im Rahmen der Gamification, den bereitgestellten Content an die Interessen der jeweiligen Kampagnenzielgruppe anzupassen.
- Achten Sie darauf, dass die wesentlichsten Botschaften ihrer Gamification-Kampagne grundsätzlich auch ohne „Spielereien“ für den Nutzer zur Verfügung stehen.
- Eine Werbekampagne sollte nicht einzig und allein auf Gamification setzen. Games sind eine schöne Ergänzung für den User, sollten aber unbedingt immer nur im Kontext mit anderen Werbemaßnahmen genutzt werden.
- Achten Sie darauf, dass Sie Gamification nicht als inflationäre Methode verwenden, sondern nur in einem adäquaten und gut gewählten Maß. Andernfalls kann es Ihnen passieren, dass der Nutzer schnell gelangweilt ist. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass auch Games aktuell gehalten und angepasst werden müssen. Sind Sie hierzu nicht bereit oder können keine entsprechenden Ressourcen zur Verfügung stellen, nehmen Sie lieber Abstand von einer Gamification-Kampagne.
Mit diesen Leitgedanken im Hinterkopf steht Ihrer Gamification-Kampagne nun nichts mehr im Wege und Sie können der Kreativität freien Lauf lassen.