Das Geschichtenerzählen ist eine Kunstform, die so alt wie die Zeit selbst ist und in jeder Kultur und Gesellschaft einen Platz hat. Erzählungen regen Fantasie und Leidenschaft an und schaffen ein Gemeinschaftsgefühl zwischen Hörern und Erzählern. Emotionen, Authentizität, Persönlichkeit und Handlungsaufforderungen – darum geht es beim Storytelling. Im Onlinemarketing gewinnt das Erzählen aus gutem Grund an Dynamik: Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Erzählungen die Aufmerksamkeit einer Person schneller erregen und zu einer sinnstiftenden Einbettung von Informationen in unser Gedächtnis beitragen. Tatsächlich stellt das Storytelling sogar ein fundamentales Muster des menschlichen Denkens dar. So ergibt sich aus den Erfahrungen eines Einzelnen eine Sammlung von Schemata (oder eine Art Ur-Geschichte) im jeweiligen Gedächtnis, mit deren Hilfe aktuelle Erlebnisse gedeutet und bewertet werden. Das Storytelling lässt sich demzufolge zurecht als Fundament des menschlichen Denkens beschreiben. Was Storytelling darüber hinaus ist und welche Rolle es im Marketing spielt, erfahren Sie im nachfolgenden Beitrag.
Was genau ist Storytelling?
Eine einheitliche Definition des Storytelling im Onlinemarketing gibt es noch nicht. Die Idee dahinter lässt sich jedoch in einem Satz auf den Punkt bringen: Storytelling verwendet die Technik des Erzählens, um die eigene Marke mit den Werten zu verknüpfen, für die das Unternehmen steht. Diese Story beinhaltet Charaktere, Schauplätze, Konflikte, Höhepunkte und Auflösungen. Durch das Erstellen dieser Punkte kann das Publikum der Erzählung auf einfache Weise folgen – und sich besser daran erinnern.
Wichtig ist, dass die Hauptfigur der Story nicht das Unternehmen selbst, sondern der Kunde ist. Der Kunde muss der Held sein, damit die Marketingstrategie funktioniert. Die Marke ist lediglich der Leitfaden. Mit dem wofür das Unternehmen steht, ist die Essenz der Marke gemeint. Es ist nicht das Produkt, das verkauft wird und es geht auch nicht darum, Geld zu verdienen. Die Essenz ist die treibende Kraft hinter dem Geschäft und worin es sich von der Konkurrenz unterscheidet.
Im Idealfall können Unternehmen das wofür sie stehen, in zwei oder drei Wörtern zusammenfassen. Der Sportartikelhersteller Nike steht beispielsweise für sportliche Höchstleistungen – nicht für Sportutensilien oder Turnschuhe. Disney steht für Familienunterhaltung – nicht für Filme oder Themenparks.
Warum ist Storytelling im Marketing wichtig und sinnvoll?
Warum sind Erzählungen der beste Weg, um Informationen zu teilen, zu erklären und zu verkaufen?
Der Grund liegt auf der Hand: Erzählungen festigen abstrakte Konzepte und vereinfachen komplexe Botschaften.
Wohl jeder kennt die erste Verwirrung, wenn wir versuchen neue Ideen zu verstehen. Erzählungen bieten einen Weg, dies zu umgehen. Sie helfen dabei, abstrakte Konzepte zu festigen und komplexe Botschaften zu vereinfachen. Ein erhabenes, nicht greifbares Konzept zu nehmen und es mit konkreten Ideen in Beziehung zu setzen, ist eine der größten Stärken einer guten Geschäftsstory.
Erzählungen bringen Menschen zusammen
Storys sind eine Art universelle Sprache. Jeder versteht den Werdegang des Helden, des Außenseiters oder des Herzschmerzes. Wir alle verarbeiten Emotionen und können Gefühle der Hochstimmung, Hoffnung, Verzweiflung und Wut teilen. Das Teilen einer Erzählung vermittelt selbst den unterschiedlichsten Menschen ein Gefühl von Gemeinsamkeit und Gemeinschaft. In einer Welt, die durch eine Vielzahl von Dingen geteilt ist, bringen sie Menschen zusammen und schaffen ein Gemeinschaftsgefühl. Trotz unserer Sprache, Religion, politischen Vorlieben oder ethnischen Zugehörigkeit verbinden uns Erzählungen durch die Art und Weise, wie wir uns fühlen und auf sie reagieren.
Erzählungen inspirieren und motivieren
Storys machen uns menschlich und das gilt auch für Marken. Wenn Marken transparent und authentisch auftreten, wirken sie bodenständig und helfen den Verbrauchern, sich mit ihnen und den Menschen dahinter zu verbinden. Die Gefühle der Menschen zu nutzen und sowohl das Gute als auch das Schlechte zu entblößen treibt letztendlich das Handeln voran. Authentische Erzählungen fördern so die Markentreue.
Was macht gutes Storytelling im Marketing aus?
Es gibt einige nicht verhandelbare Komponenten, die sowohl für den Rezipienten als auch für den Erzähler zu einem großartigen Erlebnis des Geschichtenerzählens führen.
Gute Storys sind ...
... unterhaltsam. Sie beschäftigen den Rezipienten und wecken bei ihm ein Interesse für das, was als Nächstes kommt. Sie begeistern ihn für eine Idee, einen Marke oder einen Prozess und sorgen im besten Fall für eine freiwillige Weiterleitung der Geschichte durch den Rezipienten.
…aktivierend. Sie laden den Rezipienten dazu ein, sich mit dem Thema der Geschichte zu befassen. Sie schaffen Aufmerksamkeit und bewegen zum Zuhören und Mitmachen.
…emotionalisierend. Sie können sowohl positive als auch negative Emotionen beim Rezipienten hervorrufen und laden ihn emotional auf. Ihnen gelingt es, bestimmte Emotionen auf ein Produkt oder eine Marke zu übertragen.
... lehrreich. Sie wecken die Neugier und erweitern die Wissensdatenbank des Rezipienten.
... universell. Sie können von allen Rezipienten verstanden werden und greifen auf Emotionen und Erfahrungen zurück, die den meisten Menschen bekannt sind.
... strukturiert. Sie folgen einer prägnanten Struktur, die dazu beiträgt eine Kernbotschaft zu vermitteln und die Rezipienten darin unterstützt, diese aufzugreifen.
... einprägsam. Ob durch Inspiration, Skandale oder Humor, gute Erzählungen bleiben dem Rezipienten im Gedächtnis.
Der Storytelling-Prozess
Storytelling ist eine eigene Kunstform und wie jede Kunst erfordert das Geschichtenerzählen Kreativität, Weitblick und Können.
Schritt #1: Wer ist das Publikum?
Wer will die Story hören? Wer profitiert und reagiert am stärksten? Um eine überzeugende Story zu erstellen, müssen Unternehmen ihre Rezipienten verstehen und wissen, wer darauf reagiert und Maßnahmen ergreift. Bevor sie einen Stift auf Papier bringen, sollten Unternehmen sich mit ihrem Zielmarkt befassen und ihre Käuferpersönlichkeiten definieren. So erfahren sie, wer ihre Geschichte lesen oder anhören möchte. Die Zielgruppe liefert die entscheidende Richtung für die nächsten Schritte.
Schritt #2: Kernbotschaft definieren
Unabhängig davon, ob die Story eine oder zwanzig Seiten umfasst, sollte sie eine Kernbotschaft enthalten. Soll die Geschichte ein Produkt verkaufen oder zu anderen Aktionen anregen? Einen Service erklären oder sich für ein Problem einsetzen? Was ist der Sinn der Story? Um dies zu definieren, sollten Marketer versuchen, ihre Story in sechs bis zehn Wörtern zusammenzufassen. Wenn sie das nicht können, haben sie keine Kernbotschaft.
Schritt #3: Welche Art von Story wird erzählt?
Wie sich das Publikum beim Lesen fühlen oder wie es reagieren soll bestimmt, welche Art von Erzählung Unternehmen verwenden.
Auf diese Weise können Unternehmen bestimmen, wie sie ihre Story verweben und welches Ziel sie verfolgen. Wenn das Ziel ist, ...
... zum Handeln anzuregen, sollte die Story beschreiben, wie eine erfolgreiche Aktion in der Vergangenheit abgeschlossen wurde und erläutern, wie die Rezipienten in der Lage sein könnten die gleiche Art von Veränderung umzusetzen. Exzessive, übertriebene Details oder Änderungen des Themas sollten vermieden werden, damit sich das Publikum auf die Aktion oder die Änderung konzentrieren kann.
... von sich selbst zu erzählen, sollten Unternehmen echte Kämpfe, Misserfolge und Siege aufzeigen. Der heutige Verbraucher schätzt Marken, die mit Authentizität auf dem Markt vertreten sind.
... Werte zu vermitteln, sollten Unternehmen vertraute Emotionen, Charaktere und Situationen aufgreifen, damit die Rezipienten verstehen, wie die Geschichte auf ihr eigenes Leben zutrifft. Dies ist besonders wichtig, wenn Werte diskutiert werden, denen manche Menschen möglicherweise nicht zustimmen oder die sie nicht verstehen.
... Gemeinschaft zu fördern, dann sollten Storys erzählt werden, die den Rezipient dazu bewegt, die Erzählung zu diskutieren und mit anderen zu teilen. Verwenden Unternehmen eine Situation oder Erfahrung, auf die sich andere beziehen können, schaffen sie einen "Ich auch!"-Effekt.
... Wissen zu vermitteln, sollte der Rezipient mehr über ein Problem erfahren und wie eine Lösung gefunden und erfolgreich angewendet wurde.
Schritt #4: Handlungsaufforderungen einbauen
Das Ziel und die Handlungsaufforderung sind ähnlich, doch die Handlungsaufforderung bestimmt die Aktion genau, die das Publikum nach dem Lesen ausführen soll. Was genau sollen die Rezipienten nach dem Betrachten tun? Sollen sie einen Newsletter abonnieren, einen Kurs belegen oder ein Produkt kaufen? Dies sollten Unternehmen zusammen mit ihrem Ziel skizzieren.
Schritt #5: Story-Medium wählen
Erzählungen können viele Formen annehmen. Das gewählte Story-Medium hängt von der Story-Art sowie von Ressourcen wie Zeit und Geld ab.
Eine geschriebene Story wird durch Artikel, Blogposts oder Bücher erzählt. Dies sind hauptsächlich Texte und können einige Bilder enthalten. Geschriebene Storys sind bei weitem die kostengünstigste Methode zum Geschichtenerzählen, da nur eine kostenlose Textverarbeitung erforderlich ist oder ein Stift und Papier.
Eine gesprochene Story wird persönlich erzählt, wie eine Präsentation. TED-Vorträge gelten beispielsweise als gesprochene Erzählungen. Aufgrund ihrer „lebendigen“, unbearbeiteten Natur erfordern gesprochene Storys in der Regel mehr Übung und Geschick, um Botschaften zu übermitteln und Emotionen bei anderen hervorzurufen.
Eine Audio-Geschichte hingegen wird laut gesprochen, aber aufgezeichnet – das unterscheidet sie von der gesprochenen Story. Audio-Storys sind in der Regel in Podcast-Form. Mit der heutigen Technologie ist das Erstellen einer Audio-Story erschwinglicher als je zuvor.
Eine digitale Story wird über eine Vielzahl von Medien wie Videos, Animationen und sogar Spiele erzählt. Diese Option ist mit Abstand die effektivste für emotional resonante Erzählungen sowie für aktive, visuelle Storys. Deshalb ist sie auch die teuerste.
Schritt #6: Erzählung aufschreiben
Jetzt ist es an der Zeit, mit der Erstellung der Story zu beginnen. Mit der Kernbotschaft, dem Ziel des Publikums und dem Aufruf zum Handeln geht es in diesem Schritt einfach darum, der Story Details und kreatives Flair zu verleihen.
Schritt #7: Story teilen
In diesem Schritt wird die Story geteilt und promotet. Wie bei allen Inhalten ist das Erstellen nur die halbe Miete und das Teilen die andere. Abhängig vom gewählten Medium sollte die Erzählung in sozialen Medien und per E-Mail geteilt werden. Darüber hinaus können geschriebene Geschichten im Blog oder durch Gastbeiträge in anderen Veröffentlichungen beworben werden. Digitale Storys eignen sich für YouTube und Vimeo. Je öfter die Story geteilt wird, desto mehr Engagement können Unternehmen von ihrem Publikum erwarten.
Storytelling-Checkliste
1. Haben Sie ein Ziel/ eine Kernbotschaft für Ihre Story definiert?
2. Haben Sie die Zielgruppe Ihrer Geschichte definiert?
3. Wissen Sie, welche Art von Geschichte Sie erzählen wollen? (Produktgeschichte vs. Markengeschichte vs. Erfahrungsbericht vs. Unternehmensgeschichte vs. Referenzbericht vs. fiktionale Geschichte)
4. Haben Sie passende Bedingungen für Ihre Story gewählt?
- Verfügt Ihre Geschichte über Figuren mit Motiven & Zielen und können sich die Rezipienten mit dem Held Ihrer Story identifizieren?
- Beinhaltet Ihre Geschichte Kausalität & Authentizität?
- Orientieren Sie sich am klassischen Handwerkszeug des Geschichtenerzählens? (Folgt Ihre Geschichte dem Aufbau „Einleitung - Konflikt - Auflösung des Konflikts - Schluss“ und schafft sie bereits zu Beginn eine emotionale Ausgangssituation, die den Rezipienten einfängt?)
- Beinhaltet ihre Story eine Handlungsaufforderung?
- Haben Sie eine passende Erzählform gewählt? (Außenstehender vs. Beteiligter vs. Kunde)
5. Haben Sie ein passendes Kommunikationsmittel (Text, Bild, Video, u.Ä.) gewählt?
6. Haben Sie sich für einen oder mehrere Kanäle zur Verbreitung der Story entschieden?
7. Haben Sie Interaktionsmöglichkeiten geschaffen, die das Einbeziehen der Zielgruppe in das Storytelling bei Bedarf möglich machen?
8. Haben Sie Ihre Story teilbar gemacht?